Adam Sutcliffe || HAB

While at the HAB I am primarily working on my project on ‘Pierre Bayle and the Uncertainty of Historical Knowledge in Early Enlightenment Europe’. Bayle has long fascinated me; his love of paradoxes and his insistence on uncertainty still generates intense arguments between historians and philosophers over how to interpret him. I am looking closely […]

Lorenzo DiTommaso || HAB

Lorenzo DiTommaso is Professor of Religions and Cultures at Concordia University Montréal. His academic speciality is apocalyptic speculation in the aggregate, from the early Jewish apocalypses to mediaeval apocalyptic prophecies to contemporary popular culture. Among his recent publications are Music in the Apocalyptic Mode (2023, ed. with C. McAllister), Reimagining Apocalypticism: Apocalyptic Literature in the Dead […]

Ryan Hampton || HAB

I work on the history of 16th century unrest from a spatial perspective. My project compares networks of grassroots political unrest in the Holy Roman Empire and the Spanish colonial new world. Above all, I want to know where and how political discontent/conspiracy spread in (largely) face-to-face contexts. My current focus is the German Peasants’ […]

NS-Raubgut: Restitution an die Erb*innen von Benny Mielziner || HAB

Wolfenbüttel, 01.04.2025 Benny (Benjamin Jaakov) Mielziner (1853‒1926) wurde im dänischen Aalborg geboren und siedelte 1876 nach Braunschweig um, wo er 1885 eingebürgert wurde. Zwischen 1886 und 1921 war er Repräsentant, danach bis 1925 Vorsteher der dortigen Jüdischen Gemeinde. Mielziner war mit Marie Therese Widmann (1853‒1940) verheiratet; aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, die das […]

Pflanzentransfer von Padua nach Wolfenbüttel || HAB

19. März 2025

Die Geschichte beginnt mit einer Reise, die der aus Hamburg stammende Joachim Gagelmann (um 1540-1595) im Jahr 1571 nach Frankreich und Italien unternahm. Eines seiner Ziele war die Universität in Padua. Mit seinen anatomischen Sektionen und einem Botanischen Garten gehörte der medizinische Lehrstuhl dort zu den innovativsten und am meisten frequentierten dieser Zeit. Autopsie ist hier der Schlüsselbegriff: Für die medizinische Praxis ist die eigene Anschauung kaum zu überschätzen ‒ das Sezieren am menschlichen Körper genauso wie das Besehen, Betasten oder auch Riechen an realen Pflanzen offenbaren viel mehr von der Natur als jedes Bücherstudium. Pflanzliches Material stellte damals die Hauptgrundlage von Arzneimitteln dar. Schon die Unkenntnis geringfügiger Unterschiede von Pflanzenarten konnte zu schweren, ja Tod bringenden Fehlern bei der Herstellung und Verabreichung von Medikamenten führen. Ein Teil des medizinischen Unterrichts fand daher unmittelbar an den Beeten im Botanischen Garten statt, ein Anschauungsunterricht, den nur wenige Universitäten in dieser Zeit bieten konnten.

Schematische Darstellung der Anlage des Heilpflanzengartens in Padua Ende des 16. Jahrhunderts, in: Girolamo Porro: L'horto de i semplici di Padova, Venedig 1591, HAB: 146.2 Phys. //www.hab.de/wp-content/uploads/2025/03/Padova-Garten-Zeichnung.png
Schematische Darstellung der Anlage des Heilpflanzengartens in Padua Ende des 16. Jahrhunderts, in: Girolamo Porro: L'horto de i semplici di Padova, Venedig 1591, HAB: 146.2 Phys.

Diese empirisch gestützte Lehr- und Vermittlungspraktik im Garten gab der Ausbildung eines neuen Mediums einen wichtigen Impuls. Um über den Moment und die Jahreszeiten hinaus ein lebensechtes Anschauungsobjekt verfügbar zu halten, verteilte man im Garten Pflanzenexemplare oder Teile davon an die Studierenden. Damit etablierte sich ‒ anknüpfend an die schon länger bekannte Praxis der Pflanzenkonservierung durch Trocknen und Pressen ‒ allmählich die pragmatische Form der Aufbewahrung dieser haltbaren Pflanzenobjekte in Büchern. Gagelmann legte solch eine Sammlung von etwa 200 verschiedenen Arten an. Er bezeichnete sie als ein Buch lebendiger Kräuter („Lebendiger Kreutter Buech“); der schon zeitgenössisch verbreitete Fachterminus lautete Herbarium oder sehr sprechend auch Hortus siccus (Getrockneter Garten).

Pergamentumschlag mit handschriftlichem Vermerk zum Herbarium Gagelmann. //www.hab.de/wp-content/uploads/2025/03/hablog_feuerstein-gagelmann-abb_3_kontrast.jpg
Pergamentumschlag mit handschriftlichem Vermerk zum Herbarium Gagelmann.

Auch wenn er den Band nur wenig repräsentativ in einen einfach gehefteten Pergamentumschlag kleiden konnte, scheute Gagelmann sich nicht, ihn nach seinem Studienende und der Rückkehr im Jahr 1575 Herzog Julius zu Braunschweig-Lüneburg als Geschenk zu überreichen. Gedacht war diese Gabe als Erfolgsbeleg und Gegenleistung für die Finanzierung seiner Ausbildung in Padua, die Julius über Jahre übernommen hatte. Ein nach neuesten Standards geschulter Arzt am Wolfenbütteler Hof war offensichtlich gewünscht. Gagelmann ergriff diese Chance und diente den Wolfenbütteler Herzögen als Leibarzt bis zu seinem Tod im Mai 1595.

Wie sich rekonstruieren lässt, befand sich das Herbarium nicht nur in der Bibliothek im Wolfenbütteler Schloss, sondern rund 200 Jahre lang auch in der Universitätsbibliothek in Helmstedt.  Zurzeit ist es Gegenstand eines privaten Forschungsprojekts.

Gagelmanns Sammlung hatte den Charakter eines Gebrauchsherbariums. Nicht nur der schmucklose Einband, auch die aufgeschlagenen Seiten geben das zu erkennen. Im Vordergrund stand das Archivieren des Pflanzenmaterials, nicht die akkurate oder sogar kunstvoll arrangierte Präsentation der Objekte wie in einer Schausammlung. Dem hohen Alter geschuldet sind überdies häufig nur noch Fragmente der Pflanzenexemplare oder sogar nur deren Abdrucke auf dem Papier vorhanden.

Allein eine botanische Bestimmung der Pflanzenarten, die in diesem Buch die Jahrhunderte überdauert haben, ist deshalb nicht mehr möglich. Aber andere Quellen helfen dabei. Von großer Bedeutung sind die handschriftlich notierten Pflanzennamen – auch wenn das angesichts der verwirrenden Nomenklatur verwundern mag: Was verbirgt sich etwa hinter Iva, Serpillum oder gar Flamma ♃? Erst Mitte des 18. Jahrhunderts setzten sich allmählich universal standardisierte botanische Artnamen durch. In Gagelmanns Zeit kursierte dieselbe Pflanze unter vielen verschiedenen Namen, in Norditalien unter einem anderen als im Breisgau oder im Norden Deutschlands, eine bis auf die regionale und lokale Ebene differierende Bezeichnungsvielfalt. Umgekehrt konnte ein Name auch für verschiedene Arten gebräuchlich sein.

Es gilt daher, die erkennbaren botanischen Spuren mit den Benennungen in einen möglichst klaren Bestimmungs-Zusammenhang zu bringen. Und nun kommen doch gedruckte Pflanzenbücher ins Spiel. Schon seit dem 15. Jahrhundert gelangten solche Kräuterbücher in ganz Europa auf den Markt. Sie führen viele der regional und in medizinischen Kreisen gebräuchlichen Pflanzennamen auf und zeigen zunehmend um Detail- und Naturtreue bemühte Illustrationen der verschiedenen Arten. Bereits in der Bibliothek von Herzog Julius standen Gagelmanns Pflanzenband und solche Werke zusammen im Regal.

Die letzte Hürde bei der oftmals detektivischen Bestimmungsarbeit lässt sich nehmen, indem historische Gartenpläne aus Padua, die sich glücklicherweise auch aus der Zeit Gagelmanns erhalten haben, zu Rate gezogen werden. Sein Herbarium ist damit zugleich eine wertvolle Quelle für die historische Forschung zum Paduaner Garten. Die Kombination dieser Quellen führt somit auch auf die Spur des botanischen Unterrichts dort. Vielleicht lässt sich in Zukunft überdies etwas dazu ermitteln, ob Gagelmanns Buch Verwendung an der Helmstedter Universität fand. Seit 1692 gab es dort einen Hortus medicus.

Gartenplan von Padua, Ausschnitt Spaldo Quarto, in: Girolamo Porro: L'horto de i semplici di Padova, Venedig 1591, HAB: 146.2 Phys. //www.hab.de/wp-content/uploads/2025/03/hablog-feuerstein-gagelmann-abb_5-.png
Gartenplan von Padua, Ausschnitt Spaldo Quarto, in: Girolamo Porro: L'horto de i semplici di Padova, Venedig 1591, HAB: 146.2 Phys.

Iva war übrigens der in Padua gebräuchliche Name für den deutschen Gelben Günsel (Ajuga chamaepitys L. Schreber), Flamma ♃ ist zu lesen als Flamma Jovis und kann als eine Clematis-Art identifiziert werden. Exemplare beider Arten wurden im 16. Jahrhundert im Spaldo Quarto des geometrisch angelegten Gartens in Padua gezogen. In Gagelmanns Herbarium sind sie uns erhalten geblieben als Zeugen einer historischen Flora und eines frühneuzeitlichen Wissenstransfers.


Die Forschung an Herbarien ist ein weitreichendes Feld mit interdisziplinären Perspektiven und gerät daher an der HAB immer weiter in den Fokus. Neben dem Gagelmannschen Herbarium wird seit letztem Jahr in einem größeren Projekt der Bibliothek das Herbarium Ruperti erforscht.


Titelbild: Blatt 41 mit sieben getrockneten Pflanzenobjekten aus dem Herbarium von Joachim Gagelmann, Lebendiger Kreutter Buech, Padua um 1575, HAB: 929 Helmst.,
http://diglib.hab.de/varia/objekte/929-helmst/start.htm

PURL: http://diglib.hab.de/?link=203


Die Autorin

Petra Feuerstein-Herz war bis Ende 2021 Leiterin der Abteilung Alte Drucke an der Herzog August Bibliothek. Zurzeit schreibt sie an einem Buch über den Pflanzenbestand und die Geschichte des Gagelmannschen Herbariums.

Hans-Uwe Lammel || HAB

An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert vollziehen sich wichtige Veränderungen sowohl im Selbstverständnis als auch in der Außerwahrnehmung der gelehrten Medizin. Es machen sich Verschiebungen bemerkbar von einem universalistischen zu einem pragmatisch-utilitaristischen Verständnis von Wissenschaft und Medizin, die eine Neujustierung des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Politik zur Folge haben. Diese europaweit nachvollziehbaren Phänomene […]

Micol Muttini || HAB

A Humanist Observed: Francesco Ciceri as a Commentator of Classics During the early modern period, there was a general rebirth of interest in all things classical. Latin commentaries of ancient texts were principally responsible for introducing classical works into the high culture of Western Europe. My study focuses on an unedited and little-known Latin commentary […]

Martina Kastnerová || HAB

My primary research interests relate to the Sidney circle, the genesis of Philip Sidneyʼs (1554-1586) poetic project based on their communication with intellectuals on the continent. Last year, I finished the translation of Michal Slavataʼs Hussite speech with a contextual introduction with my team for Reformation journal and also contributed to the special issue of Sidney Journal “Penshurst and Beyond” (edited by Alison Findlay and current […]

Jahresbericht der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 2023 || HAB

Erinnern Sie sich an das HAB-Jahr 2023? Der vorliegende Jahresbericht lässt keinen Zweifel: Es war mehr als das Jahr nach dem Jubiläum. So ging das neue Lesungsprogramm »HAB gelesen« an den Start – mit Autorinnen und Autoren, die in den vergangenen Jahren vor allem wissenschaftlich auf sich aufmerksam gemacht hatten; das Projektbüro nahm seine Arbeit […]